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Biografie von Schattenhand Suraya







Suraya bint Jarir al-Khayyat


Fragen wir doch einmal nach den Eindrücken, welche die Kalesch hinterlässt...



„Diese Frau macht nur Ärger, auch wenn sie eigentlich.. gar nichts macht! Ich möchte sie nicht in meiner Nähe haben. Sie ist unheimlich.“

- Marktfrau


„Die Waffen an ihr sehen gefährlicher aus als an einem Kerl. Ob sie damit umgehen kann, weiss hier keiner.“

– Bauer


„Sagt mir, warum sollte eine Südländerin wie sie hierher kommen? Die haben doch alle nur eins vor, uns an den Kragen und an den Goldbeutel zu gehen! Wenn sie nicht ständig mit ihrer Waffe herumstolzieren würde, ich würde sie auf der Stelle…“

– Händler


„Der Schneid ihres Verstandes, der Klingen und ihrer Zunge… was auch immer sie vorhat, sie scheint sich nicht davon abbringen zu lassen. Solange ich nicht das Ziel des Vorhabens bin, ist es mir egal – von mir habt Ihrs nicht!“

– Zwielichtiger Geselle







Die Sippe

Mein Vater war ein wichtiger Kerl, ein sehr wichtiger Kerl sogar. Also einer der Sorte, die mir später meistens Probleme bereiten würde. Mein Vater, das war Jarir bin Fahim al-Khayyat. Und immer, wenn meine Mutter genannt wurde, geschah das in einem Atemzug mit dem Namen meines ältesten Bruders: Umm Shafiq Nura. Verwirrend? Vielleicht hier - nicht dort. Ich habe nie darüber nachgedacht, was es für mich gewesen ist.

Und obwohl mein Vater wichtig getan hat, war Nura wichtiger. Nicht für alle, aber sicher für mich. Eigentlich war es so, wie es immer abläuft: Der Vater zeigt sich wichtig, die Mutter ist wichtig. Sie hatte diese dünnen Fäden in den Händen, zwischen denen Jarir sich bewegt hatte, die er für unsichtbar und damit nicht vorhanden gehalten hatte. Sie war es auch, die mir eine gesicherte Position verschaffen wollte – fernab von diesen Geschäften, in der wir uns diesen Namen erst gemacht haben. Dafür stand er nämlich, Al-Khayyat. Wie das heute ist – wie es für mich ist… anders als damals. Der Name ist nicht auszulöschen, als wäre er einem auf die Stirn gebrannt worden. Er bringt Gutes mit sich, nebst all den Problemen, die ich schon einmal erwähnt habe. Zumindest ein wenig Gutes.

Sie war nicht schnell genug in der Hinsicht, sicherlich nicht schneller als die Hand meines Vaters, die mich hinein gezerrt hat. Anfangs habe ich versucht, mich zu wehren. Hier machte ich keinen stolz; es interessierte erst einmal überhaupt keinen. Ich fragte mich zum ersten Mal, was diese Leute zusammenhalten sollte. Und als ich bemerkte, dass es funktioniert… war ich bereits Teil dieses Funktionieren.

So vielversprechend, flüsterten die Münder, wenn sie unter sich waren. So geschickt, raunten die Stimmen, die düsteren Bekannten und Brüdern gehörten. Nichts, was einen normalen Bewohner stolz gemacht hätte. Und irgendwann musste ich ihnen glauben. Jeder hier hat Bekannte. Wer wirklich eine Ahnung von der Sache hat, kommt mit ihrer Anzahl klar, sucht sich, was gebraucht wird. Lasst euch nicht von denen unter ihnen finden, welche nie mehr als das sein könnten… und es doch werden. Auch wenn es zuerst gut, vorteilhaft, annehmbar aussieht. Das… ist eine der ersten Lektionen.



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Es dauerte lange, viel zu lange. Unruhe ist noch nicht einmal das richtige Wort dafür. Jeder, der auch nur irgendetwas damit zu tun hatte, wird es heute anders nennen - falls er überhaupt noch was sagt. Nun, um genau zu sein war der eigentliche Grund ein anderer, doch recht wichtiger Kerl (ich hatte gelernt, sie erst einmal nach diesem Kriterium zu beurteilen). Zumindest ist das die offizielle Version. Ich kannte ihn nicht, darum nahm ich es nicht persönlich. Das, was ich persönlich nahm war, dass Jarir ihm am liebsten den Hals umgedreht hätte – ansonsten liess er das lieber andere für sich tun. Etwas an dieser Tatsache war zutiefst irritierend. Wahrscheinlich, dass er selbst so irritiert gewesen ist; dass etwas Grosses im Gange gewesen sein musste. Nur dumm also, dass diese anderen ihn bisher nicht erwischt hatten und ich gerade dabei war, den Sand nach jemand anderem zu durchkämmen und das mehrere Tagesreisen von Najjidad entfernt, als sich der ganze Dreck anzusammeln begann. Es dauerte lange, viel zu lange, bis ich endlich da war. Ich glaubte, alles verpasst zu haben und wusste nicht, dass alles erst begonnen hatte.

Was hätte es geändert? Eine Bekannte mehr, die keinen Schimmer davon gehabt hätte, nach wem eigentlich gesucht wird. Wer aus welchen Gründen Dreck am Stecken hatte. Ich frage mich, ob es ihnen peinlich gewesen ist. Ob es meinem Vater peinlich gewesen ist, dass es so weit gekommen ist, dass ein Kerl wie er nicht gefunden und zur Strecke gebracht werden konnte.

Etwas an diesen Beschreibungen irritiert mich noch heute. Als könne man ihn damit gar nicht fassen, weil er dann berechenbar gewesen wäre.

Ich habe also keine Ahnung, wer er war. Wahrscheinlich sogar noch ist. Irgendeiner, der es damals eben übertrieben hat, was nicht gerade schwer zu bewerkstelligen ist. Irgendein Wichtigtuer eben, der an der falschen Stelle Scheisse gebaut hat. Was kümmert es mich, ich mache, was ich machen muss. Der Auftrag ist ausnahmsweise nicht von Jarir gekommen, also hat das, was der Kerl gebaut hat, andere ziemlich interessiert. Mich auch, zum Beispiel. Allerdings hatte keiner das Bedürfnis, dieses Interesse bemerken zu wollen.

Mich hinzuhalten war noch nie eine gute Idee.

Wenn damals keiner nein gesagt hat, wird es auch jetzt niemand mehr tun.







Der Kuss des Feuers auf der Haut
Oder auch: Der einfache Auftrag


Ich war vor allem für die Aufträge verantwortlich, bei denen es darum ging, unbemerkt an irgendwelchen Wachen, Kameraden oder auch nur Unbeteiligten vorbei zu kommen. Klar, man kann sich denken, dass das von fast jedem bis zu einem gewissen Grad beherrscht werden muss, aber ich war gut darin. Mehr als nur gut. Manchmal hätte ich dafür nicht einmal die Dolche mitnehmen müssen – obwohl ich zur Sicherheit bestimmt den einen oder anderen dabei hatte.

Wenn ein Schloss geknackt, ein geheimer Eingang gefunden werden musste, war ich mehrheitlich die erste Wahl; zumindest habe ich mir das erfolgreich eingebildet. Keine Ahnung, wer sich sonst noch so darauf verstanden hat wie ich, mir war es eigentlich auch egal, wer heimlich eine Art Rivale in einer schier endlos wirkenden Hierarchie hätte sein können. Anscheinend hat meine Einstellung gewirkt, ohne dass ich es beabsichtigt hätte… Treue, Gehorsam, Geschick. Meine ganze Geschichte lässt sich darauf aufbauen.



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Wenn das Leben von Medizin abhängt…

… wird man oft zum leichten Opfer falscher Annahmen. Wer sollte auch dazu fähig sein, die Medizin aus dem verschlossenen Schrank zu entwenden und durch ein anderes Fläschchen auszutauschen? Wer sollte sich, noch bevor er das überhaupt versuchen könnte, an Wächtern und Mitgliedern - allesamt kampferprobt und wachsam - vorbeischleichen können? Dass es Leute gibt, die ein Interesse am Tod des Mannes haben, der ohnehin kaum noch als lebendig zu bezeichnen wäre, ist hingegen wohlbekannt gewesen. Und eigentlich hätte alles klappen können, wäre da nur nicht ein kleines Detail gewesen, das übersehen wurde. Es sind immer kleine Details, die beachtet werden wollen.

Die Schleicharbeit hingegen war nicht mehr als eine Art Versteckspiel für Kinder, das Schloss am Medizinschrank fast schon zu leicht zu öffnen, wenn man weiss, wem man den Schlüssel abnehmen musste. Es war nicht der erste Auftrag dieser Art und jeder wusste, dass es auch nicht der letzte sein sollte.

Für den zweiten im Bunde war er das, als der Rückweg durch die Explosion abgeschnitten wurde. Beide wurden zurückgeschleudert, der Gildenbruder starb auf der Stelle, die Überraschung noch auf dem versengten Gesicht. Es hatte doch alles so perfekt funktioniert, schien einem das Gesicht entgegen zu schreien. Wer kann es einem übel nehmen, dass man für einen Moment wie gelähmt auf dieses Gesicht, in die leblosen Augen starrt, selbst noch benommen von der Weise, wie der Kopf auf dem Boden aufschlug, die unbedeckten Arme oberhalb der Handschuhe brannten. Die einen nennen das Glück Reflexe, andere schreiben es einer Gottheit zu, die gerade Lust dazu verspürte, eine Assassine vor demselben Schicksal zu bewahren. Suraya fragte sich nie, was es war, das die Kontrolle über ihren Körper übernahm, sie den Blick losreissen liess - keine Sekunde zu spät.
Das Feuer frass sich durch den Korridor, wanderte an Teppichen entlang, sollte den Weg abschneiden. Tiefer drinnen war kein Laut mehr zu hören, als hätten sich alle Männer, die zuvor noch herumstanden, plötzlich in Luft aufgelöst – gemeinsam mit der Erinnerung an das vermeintlich leichte Spiel, dass sie beide hatten, um sie alle auszutricksen. Es musste einen anderen Weg hinaus geben… und der führte an den wenigen von ihnen vorbei, die sich vielleicht noch darin aufhalten würden. Es war einerlei und leider auch unabwendbar.

Am Ende war es doch ganz praktisch, dass sie die Waffen mitgenommen hatte.


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Bekannte, Vertraute, Verheimlichte, Geleugnete.
Eines Morgens, ein Zwischenspiel.


Eigentlich gehören wir nicht hierher. Das frühe Sonnenlicht bemalt die Worte weicher, als sie eigentlich sein sollten, wenn sie in warme Strahlen gehüllt werden. Schweigen antwortet; früher oder später wird es unterbrochen werden, aber nicht von Worten. Vielleicht von fernen Stimmen, die durch die Perlen an den langen Schnüren streifen, gemeinsam mit der lauen Ahnung eines Windes. Oder von den Rufen, die vom Markt herandringen, wenn ein Morgen wie dieser beginnt. Draussen birgt keine Veränderung. Ob wir uns wohl verändern, irgendwann, es aber nicht bemerken, weil wir nicht aus uns heraus können, um etwas von Ausserhalb zu betrachten? Das Licht lässt die Perlen als dunkle Flecken auf der braunen Haut tanzen, sie reihen sich auf, fliessen in den langen Schatten ein, welche sich mittig über den Rücken zieht. Aufrecht und schweigsam, als wäre die Gestalt selbst nicht mehr als dieses Schattenbild geworden, an einem Morgen wie diesem.

Letztlich ist es sinnlos zu glauben, dass ein Morgen alles auslöschen kann, was in der Nacht zuvor geschehen ist. Das Licht lässt die Schrecken nur deutlicher erkennen, umreisst Fehler viel zu scharf.
All die Jahre in der Nacht haben mich vergessen lassen, was der Morgen in ein neues Licht stellen könnte.

Ist es ein Zeichen des Vertrauens, das noch zusammenhält, ein Zeichen der Hingabe vielleicht, die bis jetzt überdauert hat? Man ist dieselbe Person geblieben, dasselbe wird einem bewiesen, und die Sonne steht am Himmel, wie sie es auch zuvor getan hat. Die Rufe von draussen verebben, als sich die Gestalt erhebt und im Schatten des Raumes das Vertrauen wieder in der altbekannten Hülle birgt, die schmale Hand durch die Perlen streifen lässt.

Weil wir nicht aus uns herauskönnen, müssen wir in unserem Inneren abschätzen, wann es Zeit für diese Veränderung ist.

Es ist der Blick aus diesen nicht mehr fremden Augen, der besiegeln würde, dass es auch in dieser Hinsicht nur darum gehen würde, dass etwas sterben muss. Alles, was diese Vergangenheit umspannt, würde aus dem ohnehin morschen Rahmen fallen… aber es zählt nicht, weil es sich unter alten Regeln neu anordnen wird.

Ich weiss, dass am Ende die Frage nach Reue nichts ändern wird. Der Grund ist auch nicht die Tatsache, dass es unter keinem guten Stern steht, sondern die Gewissheit, dass nichts unbeobachtet bleibt.

Vielleicht bin ich ja nur selbstlos und rette uns gleich beide damit. Wenn es sein soll… wird es so sein.

Wenn ich daran zweifeln kann, wie wirklich ein Morgen fern der Einsamkeit ist.



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